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Abschied tut weh
Abschied tut weh – immer! Abschied von einem Sterbenden wird noch schmerzlicher, wenn niemand an der Seite sein darf, weil der Sterbende mit Corona nicht besucht werden darf. Wie soll ich den Tod eines geliebten Menschen begreifen, wenn ich nicht zu ihm im Sterben und als Toten darf? Wenn ich ihn nicht ein letztes Mal berühren darf und sagen kann, was noch zu sagen ist? Leere, Tränen und auch Wut bleiben zurück! „Gott, sammle meine Tränen in deinen Krug!“ (Psalm 56,9)
Für den Trauerprozess ist es wichtig, dass die unterschiedlichsten Gefühle zum Ausdruck kommen können. In dem alten Brauch des Kleider Zerreißens oder auch im Werfen der Erde auf den Sarg ist die Spitze des Eisbergs der Wut angedeutet, die der Tod in uns auslöst. In der Gedenkfeier standen Scherben zur Verfügung, um die Namen von Verstorbenen mit goldener Schrift darauf zu schreiben. Leben ist zerbrochen, abgebrochen, kaputt gegangen. Das wird in den Scherben sichtbar. Und gerade deshalb: „Eure Namen sind im Himmel geschrieben.“ (Lukas 10, 20) Die Toten sind nicht vergessen. Sie haben einen Namen bei uns und bei Gott. Viele Scherben liegen gemeinsam unter der Osterkerze. Vereinzelt und doch zusammen aufgehoben. Neben dem Schmerz kommt ein vorsichtiges Gefühl des Getröstet-Seins in mir auf, wenn ich mich an das Bild erinnere.
Klage und Aufgehobensein - beides hörte ich in der Musik und in den Texten, Gebeten und der Stille, die sich während der vier Stunden in der offenen Kirche abwechselten. Zeit für Besinnung, Zeit für Rückblick auf die gemeinsame Geschichte. Wer war der/die Verstorbene für mich, wie war unsere Beziehung, was will ich bewahren? Wie kann ich dem Verstorbenen einen Platz in meinem weiteren Leben geben? Gibt es ein Bild? Gibt es eine Kerze, ein Hoffnungslicht, das ich anzünde, während ich mit dem Verstorbenen spreche?
In einem großen mit Sand gefüllten Holzkreuz brannten am Ende viele Kerzen. Das Kreuz steht für den Tod Jesu und zugleich für die Hoffnung auf Auferstehung, auf Überwindung des Todes: Christus spricht: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ (Johannes 14,19) Mein Glaube hofft auf die Auferstehung. Die Toten werden leben bei Gott - wie auch immer das aussehen mag. Und ich selbst werde auch leben: mit den Menschen im Herzen und in der Erinnerung, von denen ich mich verabschieden musste.
Pastorin Ute Reckzeh