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Vortrag: Bessere Teilhabe auch bei komplexer Behinderung

| Teilhabe mit Assistenz

Wie erhalten Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf Zugang zu Arbeit und Bildung?

Mit dieser Frage befasste sich ein Vortrag der Expertin Dr. Caren Keeley im Rahmen eines Fachtags des Stiftungsbereichs Teilhabe mit Assistenz (TmA). Der Fachtag fand am 13. März anlässlich eines neuen Projekts des Rauhen Hauses in Kooperation mit anderen Trägern zu diesem Thema statt, das vom Hamburger Trägerbudget finanziert wird.

Dr. Caren Keeley ist Sonderpädagogin, ehemalige Förderschullehrerin und Akademische Rätin am Lehrstuhl „Pädagogik und Rehabilitation bei Menschen mit geistiger und komplexer Behinderung“ der Uni Köln, dem einzigen dieser Art in Deutschland.

Arbeit ist sinnstiftend - auch für Menschen mit Behinderung

 „Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft ohne jegliche Wahlmöglichkeit“, sagt Caren Keeley. Und stellt die Frage in den Raum: „Wie können wir Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf oder komplexer Behinderung an allen Bereichen der gesellschaftlichen Bereiche teilhaben lassen, insbesondere bei der Arbeit?“
In ihrem Vortrag geht die Expertin zunächst auf den Begriff Arbeit ein. So assoziieren wir Arbeit zumeist mit Erwerbsarbeit, mit der wir Kapital erwirtschaften.  „Dabei vergessen wir aber andere Funktionen, die Arbeit im Leben hat, nämlich, in der Gesellschaft dazuzugehören. Arbeit gibt uns Tagesstruktur, ermöglicht soziale Kontakte und ist ein Ort des Austauschs.“ Dies sei ganz wichtig für unsere Identität. „Betrachten wir Arbeit bloß als Erwerbsarbeit, schließen wir alle aus, die keinen Beitrag leisten können.“

Bildungsangebote müssen konkret entwickelt werden

Dann geht Dr. Keeley auf die Verbindung von Arbeit und Bildung ein. Offiziell haben alle Menschen ein Recht auf Bildung, doch die lebenslange Bildung – auch von Menschen mit Behinderung – werde nicht mitgedacht. Ihr Schluss: „Es geht nicht darum, dass jeder einen Beruf erlernen soll, sondern um die Teilhabe am Arbeitsleben über Bildung.“ Dafür brauche es strukturelle Rahmenbedingungen, Kompetenzen und Ressourcen der Unterstützer*innen und passgenaue Angebote für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. Das sei mitunter schwierig, aber nicht unmöglich. Dr. Caren Keeleys Ansatz: „Wir fangen ja nicht bei Null an. Das Wissen und die Erfahrung bei den Fachkräften sind vorhanden. Nun brauchen wir noch mehr didaktisches Handwerkszeug, übertragbare Bildungsinhalte, Lehrpläne, Konzepte und Methoden.“ Lernbedürfnisse und -bedarfe bei Menschen mit komplexen Behinderungen seien sehr unterschiedlich. Trotzdem könne man Angebote machen.
Im zweiten Teil ihres Vortrags geht Caren Keeley auf die konkrete Gestaltung ein und behandelt folgende Fragen für die Planung eines Bildungsangebots: Wie lassen sich Lerninhalte individuell auswählen? Welche Voraussetzungen hat die oder der Lernende?  Wie sollte die Vermittlung erfolgen? Auch, wenn eine Person etwa nicht sprechen kann, lassen sich andere Ausdrucksmöglichkeiten finden. Keeleys Fazit: „Jede Person kann ihren Weg finden. Und wenn wir zeigen, dass es geht, haben ein anderes Gewicht für geeignete sozialrechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen.“

Projekt des Rauhen Hauses für Teilhabe bei hohem Unterstützungsbedarf

Dieser Weg soll nun auch von der TmA im Rauhen Haus beschritten werden. Das Projekt „ABC - Arbeitsbezogene Bildung als Chance zur Teilhabe für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf“ im Rahmen des Trägerbudgets findet in Kooperation mit anderen Trägern mit Federführung des Rauhen Hauses statt. Es beinhaltet vor allem die Feststellung der unterschiedlichen Praxis und die Entwicklung von Handlungsempfehlungen. 
Für die Mitarbeiterschaft im TmA-Fachbereich Arbeit und Bildung bildete der Fachtag nun den Auftakt für die Weiterentwicklung des Themas in den nächsten fünf Jahren. Und schließlich sollen von dem Projekt insbesondere Menschen mit Behinderung profitieren, die in der Tagesförderung täglich auf ihre Teilhabe am Arbeitsleben vorbereitet werden.

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Dr. Caren Keeley steht am Rednerpult

Dr. Caren Keeley von der Uni Köln (Foto: Das Rauhe Haus / W. Nölle)